Informierte Opfer sind stark
WEISSER RING Aktionstag will sensibilisieren und die vielfältigen Rechte in den Fokus rücken
Der Staat ist in der Verantwortung, seine Bürger vor Gewalttaten und kriminellen Handlungen zu schützen. Nicht immer gelingt das. Überfälle, Vergewaltigungen, Körperverletzungen, Missbrauch - die Liste der täglich begangenen Delikte ist lang. Und immer stehen dahinter Opfer, die durch die Tat körperlich und seelisch Schaden nehmen.
Jedes Jahr am 22. März wird an eben diese Kriminalitätsopfer gedacht. Der Aktionstag, der vor 25 Jahren vom Weißen Ring begründet wurde, soll die Probleme und Belange der Opfer und ihrer Angehörigen ins öffentliche Bewusstsein rücken. Der Tag ist aber auch ein Signal für Politik und Justiz, aktiv zu werden. "Während es für die Täter nach dem Gerichtsprozess - wenn es dazu überhaupt kommt - in der Regel vorbei ist, leiden die Opfer oft über viele Jahre unter den Folgen der Straftat", weiß auch Rudi Esch, Vorsitzender der Außenstelle Euskirchen des WEISSEN RINGS.
Weil noch immer viel zu wenig bekannt ist über die bundesdeutschen Opferrechte, steht der Tag der Kriminalitätsopfer in diesem Jahr bundesweit unter dem Motto "Informierte Opfer sind stark". Rudi Esch erwähnt in diesem Zusammenhang vor allem das Opferentschädigungsgesetz (OEG), das 1976 in Kraft trat. "Es bietet wirklich eine Vielfalt von Hilfsmöglichkeiten", erläutert der Fachmann. Beispielsweise tritt das OEG ein, wenn es um die Fortsetzung einer Therapie geht, die die Krankenkasse nicht mehr bezahlen will, wenn besondere Hilfen zur Teilhabe am Arbeitsleben vonnöten sind oder wenn ein Opfer aufgrund der Tatfolgen verrentet werden muss.
"Es ist mittlerweile nicht mehr Voraussetzung, Anzeige erstattet zu haben, um einen OEG-Antrag stellen zu können", sagt Rudi Esch. Vor allem bei besonders belastenden Fällen - wozu in der Regel sexueller Missbrauch gehört - kann auf eine Strafanzeige verzichtet werden. "Es gibt Delikte, wo viele aus nachvollziehbaren Gründen nicht zur Polizei gehen wollen", weiß Esch, der ein Lob auf den Landschaftsverband Rheinland ausspricht, der Träger der Opferentschädigung ist. "Hier hat sich in den vergangenen Jahren die Stimmung sehr zum Wohle der Opfer gewandelt." Bei der Beantragung helfe der WEISSE RING mit seinen geschulten Ehrenamtlern, "und auch dann, wenn es darum geht, Widerspruch einlegen zu müssen".
Seit dem 1. Januar greifen neue gesetzliche Bestimmungen, die in erster Linie die Informationsrechte von Opfern stärken. Das helfe den Opfern, mündig und selbstbestimmt das in Anspruch zu nehmen, was bei der Tataufarbeitung helfe. "Die Kenntnis ihrer Rechte kann enorm dabei helfen, das Erlebte zu verarbeiten", meint Esch. Es gehe darum, der Ohnmacht zu entkommen, die Opfer häufig spüren.
Im Rahmen des Projektes Infovictims, an dem sich verschiedene europäische Opferhilfe-Organisationen beteiligen, treibt der WEISSE RING das Bekanntwerden der Opferrechte weiter voran. Hilfreiche Informationen hierzu liefert die Infovictims-Webseite, auf der anschaulich und leicht verständlich beispielsweise die Abläufe und die Beteiligten in einem Strafprozess dargestellt und erläutert werden.
Der heutige Tag der Kriminalitätsopfer soll aufrütteln und mangelndes Problembewusstsein seitens der Gesellschaft verdeutlichen sowie auf die persönliche, rechtliche und wirtschaftliche Situation von Opfern und deren Familien aufmerksam machen, die auf Schutz, praktische Hilfe und die Solidarität angewiesen sind.
Während es für die Täter nach dem Prozess - wenn es dazu überhaupt kommt - in der Regel vorbei ist, leiden die Opfer oft über Jahre unter den Folgen der Straftat
Rudi Esch
Opfer von Straftaten haben viele Rechte:
wer Opfer wurde, hat viele Rechte. Beispielsweise darauf, als Opfer anerkannt und in einer respektvollen, einfühlsamen und professionellen Art und Weise behandelt zu werden. Auch hat man Anspruch darauf, alle Informationen über seine Rechte zu erhalten, vor allem über die mögliche Unterstützung, den Ablauf einer Anzeigeerstattung, Schutzmaßnahmen, rechtlichen Beistand und Entschädigung.
Wer als Opfer Anzeige erstattet, darf dies in seiner Sprache tun. Oder aber es müssen entsprechende sprachliche Hilfen wie Dolmetscher zur Verfügung gestellt werden. Es ist ein Recht, zu verstehen und verstanden zu werden durch Kommunikation in einfacher, verständlicher Sprache.
Ein Zusammentreffen mit dem Täter, beispielsweise beim Gerichtsprozess, dürfen Opfer vermeiden. Es sei denn, das Strafverfahren erfordert eine solche Begegnung. Auch haben Opfer das Recht, von der Freilassung oder der Flucht eines Täters zu erfahren, sofern das Risiko einer erneuten Schädigung besteht. So wenig wie möglich und auch nur dann medizinisch untersucht zu werden, wenn dies für die strafrechtlichen Ermittlungen unbedingt erforderlich ist, gehört ebenfalls zu den Opferrechten.
Weitere Infos über Opferrechte gibt der WEISSE RING und das bundesweite Opfer-Telefon 116 006